Friede im humanistischen Wertesystem

Ja, philosophisch und juristisch ist mir daran gelegen, einzelne Werte nicht zu überhöhen oder gar zu verabsolutieren, denn alle Werte bedingen und begrenzen sich gegenseitig oder würden missbraucht. Darum sind mir die unterschiedlichen Werte verdächtig gleichen Gewichts, wobei wir oft schon innerhalb einer Generation lernen, welche Werte zuvor unterschätzt, übertrieben oder gänzlich verkannt wurden. 

Aber so gänzlich gleichwertig vielleicht dann doch wieder nicht, denn ausnahmsweise könnte auch mal ein Sprüchli stimmen, welches da lautet: "Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts", denn so bewahrheitet es sich für die Opfer aller Kriege, mit Ausnahme des mitunter gebrauchten Märtyrertyps - und im Atomzeitalter universeller und unter Umständen finaler.
 
Im Vergleich dazu die Freiheit, die so oft bemüht wird, um Kriege zu rechtfertigen. Da scheint mir, dass die Freiheit den Menschen zwar wichtig ist und eigentlich auch zu den Grundbedürfnissen zählt, aber die Bereitschaft zu Kompromissen und Unfreiheit doch auch sehr ausgeprägt sein kann, wenn dem Wohlstand genügt wird. 
Desgleichen mit der Gerechtigkeit. 
 
Der Opportunismus schert sich weniger um Werte als um den Bauch, den Porsche und andere Vergnügen. 

Das humanistische Wertesystem muss dem Opportunismus Rechnung tragen und zugleich, aber demokratisch, begegnen. 

Markus S. Rabanus 20170307   im Weltbürgerforum

Friede im humanistischen Wertesystem

Ja. @Richard, ich würde heute schon wieder anders texten, wie auch auf alten Webseiten, wozu dann oft die Zeit oder Lust fehlt. 

Anstelle von "gleichen Gewichten", zumal schon im nächsten Absatz ungleich gewichtet. wäre von "gemeinsamer Erforderlichkeit für Verbesserung" zu sprechen gewesen, denn Kulturelles in Mechanisches umzusetzen, bleibt Versuch zur Veranschaulichung, aber Finales ist halt schwierig (impossible) ;-) 

Doch zurück zum engeren Thema "Friede im humanistischen Wertesystem": 

Zunächst scheint wichtig, den Friedensbegriff extrem eng zu fassen als Abwesenheit militärischer Konfliktaustragung. 
Anderweitige Friedensdefinitionen, wie sie je nach Klientel mal die Repressionsfreiheit, mal den Seelenfrieden und weitere Sozial- oder Ego-Wünsche einbeziehen oder gar in den Vordergrund spielen, halte ich (charmant formuliert) für themaabschweifend und wären in sachlicheren Fällen dann eher in speziellen Grundrechte-Debatten zu erörtern. 

Sodann scheint wichtig, den Unterschied zwischen humanistischem Wertesystem und archaischen Vorstellungen im Hinblick auf Krieg und Frieden zu erläutern: 

Während archaische Vorstellungen mitunter den Krieg zum "Vater aller Dinge" verklären oder als "Fortsetzung von Politik mit anderen Mitteln" verallgemeinern und harmlosen, erklärt das humanistische Wertesystem den Krieg zum Verbrechen, weil sich das gutes Recht nicht im Kräftemessen mit Waffen finden kann und auch nicht soll.
Der weltrechtsstaatliche Ansatz geht über diesen Anspruch hinaus und fordert organisatorische Gewährleistung dafür, dass Konfliktparteien äußersten Falles in juristischer Auseinandersetzung um die Legitimität von Interessen auf Basis des den Streitparteien übergeordneten Völkerrechts streiten.

Deshalb darf die Interpretation des Völkerrechts nicht Entscheidungssache von Konfliktparteien sein, sondern muss der übergeordneten Entscheidung des Weltgerichtshofs obliegen sollte, der nach gegenwärtigem Stand der UNO-Charta allerdings nur "Gutachten" darf, also weder Streitigkeiten "entscheiden" oder gar durchsetzen kann.

Darum schlussfolgert der weltrechtsstaatliche Ansatz desweiteren, dass der internationale Friede nur zu sichern ist, indem den Nationen die Waffen zur militärischen Konfliktaustragung schrittweise genommen und unter UNO-Oberbefehl gestellt werden, 
- um falsche Berufung auf das Selbstverteidigungsrecht auch tatsächlich revidieren und bestrafen zu können, 
- um alle Nationen auf zivile Konfliktaustragung zwingen zu können, wenn sie sich nicht fügen. 

Der weltrechtsstaatliche Ansatz widerspricht romantischen Vorstellungen, wonach der Frieden durch Völkerfreundschaft und Wohlwollen zu sichern sei, denn Frieden muss durchsetzbare Rechtspflicht sein und zwar unabhängig von Erschütterungen freundschaftlicher Beziehungen - und unabhängig vom Wohlwollen. 

Mit selbiger Begründung lehnt der weltrechtsstaatliche Ansatz auch außenpolitische Doktrinen ab, wonach der Frieden durch Verträge und Bündnisse verlässlich zu sichern sei, was sich zwar zunächst wie Verrechtlichung anhört, aber keine ist, denn solange der Bruch solcher Verträge nicht durch ein übergeordnetes Gericht verurteilt und bestraft werden kann, sind solche Verträge bloße Absichtserklärung ohne Gewährleistung.

Desweiteren schlussfolgert der weltstaatliche Ansatz schon für die heutigen Konflikte, dass auch von Friedensverhandlungen wenig bis nichts zu halten ist, zu denen Konfliktparteien mitunter über Jahrzehnte aufgefordert werden und nicht zu Problemlösungen kommen, während es richtiger wäre, die UNO würde die Konfliktparteien anhören und dann auch entscheiden, ob es den Konfliktparteien gefallen mag oder auch nicht. 

Vieles vom dargestellt weltrechtsstaatlichen Ansatz ist nicht bloß "ferne Zukunft", sondern bereits der UNO-Charta enthalten, 
- wenngleich insbesondere der Weltsicherheitsrat oftmals versagt, weil dort die Vetomächte rivalisieren und ihrer privilegierten Verantwortung nicht gerecht werden, 
- wenngleich wichtige organisatorische Bestimmungen der Charta nicht im Einklang mit den dort verbürgten Zielen stehen, 
- wenngleich die Weiterentwicklung der Vereinten Nationen so zögerlich ist, weil sich die mächtigsten Staaten und auch viele kleinere Staaten scheuen, dem gemeinsamen Völkerrecht zu beugen und auf militärische Selbstjustiz zu verzichten. 

Dazu braucht es den weltweiten Diskurs, denn welche Reformforderungen auf die Liste sollen, darf nicht darauf warten, was ausgerechnet solchen Staaten an Reform einfällt, die weiterhin militärisch rivalisieren möchten. 

So lassen auch diese Gedanken vieles offen - und es gilt mit Ideen zu experimentieren, ob sie zur Entwicklung der Vereinten Nationen taugen, ob schon jetzt wenigstens kleinere Schritte möglich und zu fordern sind oder alles in "ferner Zukunft", als sei gesichert, dass "ferne Zukunft" überhaupt interessiert und nicht unterwegs zerstört, als seien die kleinen Schritte nicht schon Fortschritt gegenüber dem Versuch, in einer Welt militärischer Selbstjustiz verharren zu dürfen. 

Die Schritte könnten beispielsweise sein, dass wachsende Anteile der nationalen Verteidigungsausgaben für vergleichsweise best bezahlte, best ausgebildete, best gerüstete UNO-Streitkräfte abgezweigt werden. 
Und je stärker die UNO-Streitkräfte, desto mehr Verlass wäre darauf, mit weniger nationalem Verteidigungsaufwand auskommen zu können. 

Auch kleinere Entwicklungsschritte zur Demokratisierung der Vereinten Nationen könnten sein und sofort, denn schon allein unserer Regierung mehr öffentliche Diskussion um deren UNO-Politik abzuringen, wäre demokratischer Fortschritt.

Markus S. Rabanus 20170308   im Weltbürgerforum

 


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