Friedhofsruhe

Dass es nach der Unrast des Lebens auf den Friedhof geht, ist mir ein angenehmer Gedanke, aber es kann trotzdem sein, dass ich auf solche Ruhe verzichte, wenn es für Mensch und Natur irgendwie besser ist. Gräber gibt es genug, viele Spuren ebenfalls. Oder dem Wurm eine Mahlzeit für den fleißigen Amselpapa zwischen den Gräbern im Sonnenschein.

Wenn ich auch selten auf Friedhöfen bin, genieße ich die Stille, die Chance zur Nachdenklichkeit, wer die Menschen waren, ob sie geliebt wurden oder wenigstens liebten. Oder ob sie Krankheiten litten oder Verhältnisse, also Menschen. Diese Stadt hat so viel Krieg und Verbrechen erlebt, so viel Streit um Großes und um Lächerlichkeit. So viele, deren Geschichte niemand schreibt. Und so viele mit falschen Geschichten. Dass es all das Schöne verleiden kann, wäre da nicht die Amsel. Und es wäre auch dumm und ungerecht.
 
Neue Gräber, alte Gräber, gepflegte und vergessene Gräber, lange und kurze Leben, Liebeserklärungen, Schmerz, Sinnsprüche und Lobhudeleien, das Kreuz auf dem Stein oder ein Davidstern. Und wie verschieden der Aufwand auch noch im Tod so reich oder arm. Was könnte in ihren Himmeln anders sein, wenn viele bis zu ihrem letzten Atemzug und darüber hinaus auf Privilegiertes bestehen? Ich glaube, solche Himmel kenne ich schon und müsste nicht hin. Und könnte mich mit dem endlichen Sein bescheiden, Platz machen für andere Leben.

Markus Rabanus 20140805

 

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