Karl Theodor zu Guttenberg, Dr. a.D.?

BeitragVerfasst: Mo 21. Feb 2011, 09:35
von martin
Monika Hohlmeier hatte im gestrigen Sonntagstalk um die Plagiatsaffäre zu Guttenbergs sicherlich die undankbarste Aufgabe. Denn wie will man den Verteidigungsminister in dieser Sache überhaupt noch in Schutz nehmen? Liegen doch die Fakten für jedermann nachprüfbar offen zutage. Und so strebte ihre Verteidigung dann auch ins Ungefähre des allgemein Menschlichen mit dem Hinweis, dass schließlich niemand frei von Verfehlungen sei.

Aber schließlich geht es nicht um ein paar Flüchtigkeitsfehler oder vergessene Gänsefüßchen, sondern um systematischen Betrug, der - so zumindest der derzeitige Kenntnisstand - die Dissertation in ihrer Gesamtheit betrifft und sogar quantitativ erheblich zu Buche schlägt. Das ist ungewöhnlich, nicht nur im Hinblick auf die Systematik und Dreistigkeit des Vorgehens, sondern auch hinsichtlich der Grundanlage einer Diss. Denn auch wenn man der Prüfungskommission zugute hält, dass seinerzeit möglicherweise die Überprüfung des Textes auf plagiierte Stellen noch nicht etabliert war, erstaunt es trotzdem, dass das massive Handeln mit Thesen und Positionen aus zweiter Hand sowie zahlreiche unvermeidbare Stilwechsel niemandem aufgefallen sein sollen. Das wirft natürlich schon Fragen hinsichtlich des Qualitätsstandards solcher Prüfungsverfahren auf - zumal wenn unterm Strich 'summa cum laude' steht. Letztlich wird diese Affäre auch den Doktorvater und die Promotionskommission der Uni Bayreuth nicht unbeschädigt lassen.

Jedem Studenten, der heutzutage beim Plagiieren erwischt wird, drohen harte Sanktionen bis hin zu Exmatrikulation und Strafverfahren. Bewusstes Plagiieren ist nicht nur ein Verstoß gegen irgendwelche abgehobenen akademischen Gepflogenheiten, sondern ein Betrugstatbestand. Zudem steht mittlerweile die Frage im Raum, ob zu Guttenberg sogar Dritte hat für sich arbeiten lassen, z.B. den wissenschaftlichen Dienst des Bundestages, der dann mit Steuergeldern den Erwerb eines akademischen Titels für einen Abgeordneten unterstützt hätte. All das in Rechnung gestellt, wird der Titel kaum zu halten sein.

Die eigentliche Frage ist demnach, ob die Aberkennung des Titels gleichbedeutend mit dem Ende der politischen Karriere zu Guttenbergs ist. Es ist garnicht so einfach einzuschätzen, wie die öffentliche Wahrnehmung der Affäre sich gestalten wird. Immerhin verfügt zu Guttenberg über hohe Popularitätswerte in der Bevölkerung und ersten Umfragen zufolge rangiert die Plagiatsaffäre in der Wahrnehmung vieler Bürger eher auf dem Niveau einer durchschnittlichen Dienstwagenaffäre. Andererseits ist der Glaubwürdigkeitsverlust massiv, besonders bei einem, dessen steile Karriere auch durch die Zuschreibung besonders positiver Attribute gefördert wurde.

Der Opposition bleibt nun die Anstrengung der politischen Auseinandersetzung erspart. Sie kann frohen Mutes sein, den Hoffnungsträger der Union auf anderem Wege zu Fall zu bringen. Das aber wäre schon ein allzu billiger Sieg, den man den Oppositionsparteien nicht gönnen sollte.

martin

Mogelpackung Guttenberg nicht zu halten

BeitragVerfasst: Di 22. Feb 2011, 12:31
von redaktion
Aus der Traum. Je länger Merkel und Seehofer an der Mogelpackung Guttenberg festhalten ( http://de.guttenplag.wikia.com ), werden sie Schaden nehmen. Ein Maulkorb für Guttenberg wäre das Beste, denn was er auch sagt, ist nächster Fettnapf. Gestern in Kelkheim: "Ich habe diese Arbeit selbst geschrieben." Welchen Abschnitt mag er meinen, in dem nicht bloß Worte getauscht wären? Und eine Doktorarbeit nach Gutsherrenart, wenn ihm der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags den Gott der US-Verfassung durchdekliniert, ist eben auch nicht "selbst geschrieben".
Jetzt bäumt er sich auf zum selbstkritischen Bekenner, wie ihn das Volk so sehr liebt: "Ich stehe dazu, aber ich stehe auch zu dem Blödsinn, den ich geschrieben habe."
Er steht zu dem Blödsinn und stellt damit seinem Doktorvater Prof. Peter Häberle und der Uni Bayreuth unbedacht die übelste Note aus. Guttenberg weiß einfach nicht, was er sagt, weil er hochwahrscheinlich genau weiß, was er nicht sagen will.

Dennoch ist aufrichtig, dass er "zu dem Blödsinn steht", der diese Dissertation tatsächlich ist, wenn nach allem Walle, Walle, Wortgeschwalle Schlusswort und Ergebnis ist, dass den transatlantischen Verfassungsgemeinsamkeiten messianische Bestimmung beizumessen sei, mindestens weltweit usw. - Zu solchem Blödsinn steht man eben in konservativen Kreisen. Das schafft jene Behaglichkeit, die in der Vergabe eines "summa cum laude" leichtfertig macht. Der Junge muss einfach nach vorn in diesen schweren Zeiten. Transatlantisches und aufschäumendes, gleichwohl seichtes Wertegeschwafel ist exakt das, womit sich aufstrebende Konservative für höhere Postionen empfehlen. Nur bitte "fehlerfrei": das Perfekte Plagiat, also nicht als solches zu erkennen.

Dafür nahm sich Guttenberg zu wenig Zeit - neben Ehefrau, Kindern und Politik, was ihm niemand verübeln darf, nur eben dafür auch keinen Doktor geben. Immerhin das scheint inzwischen auch Guttenberg einzusehen und bat die Uni Bayreuth um "Rücknahme des Doktortitels". Dabei wird er eigentlich als noch immer examinierter Volljurist wissen, dass keinem überführten Betrüger wegen dessen "Sorry" und Naturalrestitution das Strafurteil erspart bleiben kann. Betrug würde zum einsatzlosen Gewinnspiel. So will es das Recht aber nicht. Und die Uni muss prüfen.

Wie weiter, wenn vorbestraft? Merkel sagte, sie habe mit ihm einen Minister und keinen wissenschaftlichen Assistenten berufen. Klingt schlüssig, aber mit kurzer Halbwertzeit. Den Karnevalsorden "wider den tierischen Ernst" nahm für ihn der jüngere Bruder entgegen. Verzicht wäre besser gewesen. Für Mai war der Minister den Doktoranden an der Uni Bayreuth als Festredner geplant. Auch das wird nicht mehr.

Ein Schicksalsschlag für den Umfrageliebling, tragisch und verdient, denn überflüssiger als das Doping bei einem Jan Ullrich, aber es ist auch ein wenngleich ungewollter Beitrag zu mehr Sachlichkeit und aufrichtigerer Bescheidenheit; ein Ansporn, dass wirkliche Überlegung mehr lohnen soll als das Nachgeplapperte vermeintlich Bewährtem. Vom "Fall Guttenberg" können da mehr Leute lernen als von einem Hinterbänkler. Der Hinterbänkler wiederum hätte es wahrscheinlich mit den Konsequenzen wirtschaftlich schwerer als ein Guttenberg.

Kritik an der Universität Bayreuth

BeitragVerfasst: Do 24. Feb 2011, 01:27
von redaktion
Die Universität Bayreuth gab in den Abendstunden bekannt, dass Bundesverteidigungsminister Guttenberg die Doktorwürde aberkannt wurde. So richtig die Entscheidung, so skandalös die Ausblendung der universitären Mitschuld und Schwere des Falles.

Presseerklärung Universität Bayreuth hat geschrieben:... Die wörtliche oder sinngemäße Übernahme von Textstellen ohne hinreichende Kennzeichnung verstößt nach der Rechtsprechung gegen die Grundsätze wissenschaftlichen Arbeitens und schließt die Annahme einer Arbeit als Dissertation im Regelfall aus. Stellen sich solche Mängel, wie im vorliegenden Fall, erst nachträglich heraus, kann der Doktorgrad auf der Grundlage des Artikels 48 Verwaltungsverfahrensgesetz zurückgenommen werden.

Dieser Teil der Presseerklärung vollzieht kaum das Offenkundigste nach und entschuldigt schon gar nicht, wie diese wissenschaftlich schwache Gesamtleistung zur Bestnote kam. Guttenberg verteidigte sich in der heutigen Bundestagsdebatte ausgiebig, aber über die eingestandenen Unwissenschaftlichkeiten hinaus ist seine Arbeit vor allem deshalb Plagiat, weil sie keine wissenschaftlichen Neuigkeiten, sondern neben der Zitierebene nur Plattitüden einer transatlantischen Liebeserklärung aufbietet.
Die Kommission, die Guttenberg den Titel zuerkannte, verwischte entweder den Unterschied zwischen Referat und Dissertation oder wäre inkompetent in einer Wissenschaft, zu der sie Noten verteilte. Da aber die fachliche Kompetenz vorausgesetzt werden kann, muss sich insbesondere Prof. Peter Häberle die Frage gefallen lassen, ob er seiner Doktorvaterschaft genügte oder mit seinem Ruf wissenschaftlich verantwortungslos Steigbügelhalter für Herrn Guttenberg war.

Presseerklärung Universität Bayreuth hat geschrieben:Die Frage eines möglichen Täuschungsvorsatzes konnte die Kommission letztlich dahinstehen lassen. Für die Kommission war entscheidend, dass unabdingbare wissenschaftliche Standards objektiv nicht eingehalten worden sind. Im Fall ihrer Verletzung ermächtigt Artikel 48 Verwaltungsverfahrensgesetz zur Rücknahme des Doktorgrades, ohne dass ein Täuschungsvorsatz nachgewiesen werden muss.

Die Freiheit der Forschung und Wissenschaft erlaubt der Universität zwar tatsächlich einiges an Eigenwilligkeit zumal begünstigender Entscheidungen, aber wenn sich - wie hier geschehen - eine Ermessensentscheidung einzig damit begründet, dass die Möglichkeit zur Ermessensausübung besteht, dann ist sie definitiv falsch und bloße Willkür.

Obendrein ist es falsch, dass aus der Entbehrlichkeit eines Täuschungsnachweises die Entbehrlichkeit einer Prüfung der Vorsatztäuschung geschlussfolgert wird, zumal für die Titelaberkennung die nachträglich festgestellte Fehlerhaftigkeit der Zuerkennung genügen muss, schon weil es auch dem besten Wissenschaftler passieren kann, etwas für richtig oder neu zu halten, was falsch oder ein ihm unbekannter Kollege einfach schneller war. Daran scheitern viele Dissertationen schon im Entstehen. Das ist tragisch, aber ein ganz anderer Fall als bei Guttenberg, der jede Menge Bekanntes und davon zu viel als Eigenes präsentierte. In solchem Fall ist die Prüfung des Täuschungsvorsatzes obligatorisch, auch wenn für die Titelaberkennung der gewöhnlichere Wissenschaftsfehler reicht.

Kurzum: Weil die Universität Bayreuth nicht nur sich selbst, sondern vor allem Herrn Guttenberg die Prüfung des Täuschungsvorsatzes ersparte, muss sie entweder fortan die in diesem Fall bislang unbegründete Gnade allgemein walten lassen und macht damit den akademischen Betrug zum bloßen Kavaliersdelikt oder aber schnellstens presseerklären, dass dieses Aberkennungsverfahren fehlerhaft war.

Der "Minister mit Imitationshintergrund", wie er inzwischen gehänselt wird, ist nach Maßstäben der Menschlichkeit jedenfalls bemitleidenswerter als ein wissenschaftliches Kollegium, welches sich einbildet, mit solch einer Presseerklärung Schräges ins Lot zu rücken.

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