Begründung zum Informationsfreiheitsgesetz

A. Allgemeiner Teil

I. Zielsetzung

Jeder soll gegenüber den Behörden und Einrichtungen des Bundes einen Anspruch auf Information haben, ohne hierfür ein rechtliches oder berechtigtes Interesse geltend machen zu müssen.

Der Zugang zur Information und die Transparenz behördlicher Entscheidungen ist eine wichtige Voraussetzung für die effektive Wahrnehmung von Bürgerrechten. Dies gilt angesichts der wachsenden Informationsmacht des Staates heute mehr denn je. Lebendige Demokratie verlangt, dass die Bürger die Aktivitäten des Staates kritisch begleiten, sich mit ihnen auseinandersetzen und versuchen, auf sie Einfluss zu nehmen (siehe Antrag der Gruppe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 20. September 1993, Bundestagsdrucksache 12/5694, S. 2 und 13). 

Das Informationsfreiheitsgesetz ist daher notwendig, um entsprechend innerstaatlichen, europäischen und internationalen Tendenzen die demokratischen Beteiligungsrechte der Bürgerinnen und Bürger durch eine Verbesserung der Informationszugangsrechte zu stärken.

Denn unabhängig von einer individuellen Betroffenheit sind Sachkenntnisse entscheidende Voraussetzung für eine Beteiligung der Bürger an staatlichen Entscheidungsprozessen.

Das Informationsfreiheitsgesetz dient damit vor allem der demokratischen Meinungs- und Willensbildung. In der modernen Informationsgesellschaft werden Informations-, Kommunikations- und Partizipationsanliegen der Bevölkerung immer wichtiger und verwaltungstechnisch immer leichter erfüllbar. Gleichzeitig wandelt sich das Verwaltungsverständnis:

Neben das autoritative Handeln des Staates tritt zunehmend eine konsensorientierte Kooperation mit dem Bürger, die eine gleichgewichtige Informationsverteilung erfordert.

Die neuen Informationszugangsrechte verbessern die Kontrolle staatlichen Handelns und sind insofern auch ein Mittel zur Korruptionsbekämpfung. Eine öffentliche Partizipation wird zudem dazu beitragen, die Akzeptanz staatlichen Handelns zu stärken. Nicht zuletzt leistet das Informationsfreiheitsgesetz auch einen Beitrag zur europäischen Integration:

Vergleichbare Gesetze gibt es nicht nur in den meisten EU-Mitgliedstaaten, sondern inzwischen auch auf EU-Ebene (im Einzelnen unten A III).

II. Informationszugang im geltenden deutschen Recht

Das deutsche Recht geht bislang von einem Aktengeheimnis und der Vertraulichkeit der Verwaltung aus. Ein Anspruch auf Akteneinsicht besteht grundsätzlich nur in einem laufenden Verwaltungsverfahren, wenn die Aktenkenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung rechtlicher Interessen erforderlich ist (§ 29 VwVfG, § 25 SGB X). Die Auskunftsansprüche in § 19 Abs. 1 BDSG und § 8 MRRG setzen ebenfalls eigene Betroffenheit voraus. 
Weitergehende Rechte werden – abgesehen von den Archivgesetzen – bisher nur in besonderen Bereichen gewährt, etwa aufgrund des Stasi-Unterlagengesetzes, des Umweltinformationsgesetzes sowie für öffentliche Register (freie Einsicht in Handels-, Vereins- und Güterrechtsregister). Auf Landesebene existieren allgemeine Informationszugangsgesetze in Brandenburg, Berlin, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen.

Ein Informationszugang ist in Deutschland auch außerhalb der genannten Vorschriften nicht ausgeschlossen. Anträge auf Informationszugang sind dann aber nur nach pflichtgemäßem Ermessen zu bescheiden; der Antragsteller muss zudem ein berechtigtes Interesse geltend machen (BVerwGE 30, 154, 160; 61, 15, 22; 69, 278, 279 f.). Das Informationsfreiheitsgesetz ermöglicht hingegen einen Informationszugang ohne Voraussetzungen. Zudem werden die demokratischen Beteiligungsrechte durch eine Umkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses gestärkt: Die Behörde muss das Vorliegen von Ausnahmen zum Zugang darlegen.

III. Informationszugang im Rechtsvergleich

Informationsfreiheitsgesetze gibt es in über 50 Staaten, etwa in den USA (Freedom of Information Act 1966), Kanada und der Mehrzahl der EU-Mitgliedstaaten. Seit 1999 hat sich die Zahl der einschlägigen Staaten mehr als verdoppelt.

Artikel 255 EG-Vertrag enthält ein allgemeines Zugangsrecht zu den Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission, das konkretisiert wird durch die Transparenz-Verordnung (EG) Nr.1049/2001 vom 30. Mai 2001 (ABl. EG Nr. L 145 S. 43). Der Europäische Verfassungsvertrag, der am 1. November 2006 in Kraft treten soll, enthält in Artikel II-102, III-399 Nachfolgebestimmungen.

Auch in Artikel 42 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. EG Nr. C S. 364) sowie in Artikel I-50 des Europäischen Verfassungsvertrages ist dieses Recht verbürgt. 

Der Zugang zur Information ist nicht nur demokratisch-rechtsstaatlich, sondern auch wirtschaftlich von europäischer Bedeutung. Teil der Lissabon-Strategie ist die europäische Wettbewerbsfähigkeit bei der kommerziellen Verwendung von Information. Am 17. November 2003 wurde die Richtlinie 2003/98/EG über die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors erlassen (ABl. EG Nr. L 345 S. 90). Im Europarat hat das Ministerkomitee am 21. Februar 2002 eine Empfehlung zum Zugang zu amtlicher Information verabschiedet (Rec. (2002) 2).

International spielt der Zugang zur Information vor allem im Umweltbereich eine wichtige Rolle. Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über den Zugang zu Informationen, die Beteiligung der Öffentlichkeit an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (Aarhus-Konvention) vom 25. Juni 1998 haben die damaligen EU-Mitgliedstaaten und die Europäische Gemeinschaft gezeichnet. Den Zugang zu Umweltinformationen nach der Aarhus-Konvention setzt gemeinschaftsrechtlich die Richtlinie 2003/4/EG vom 28. Januar 2003 um (ABl. EG Nr. L 41 S. 26). Deren Umsetzung in Deutschland erfolgt durch die Neufassung des Umweltinformationsgesetzes (Regierungsentwurf vom 21. Juni 2004, Bundestagsdrucksache 15/3406; Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung vom 3. September 2004, Bundestagsdrucksache 15/3680).

IV. Konzept des Informationsfreiheitsgesetzes

Das Informationsfreiheitsgesetz führt den allgemeinen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen des Bundes ein. Das Auskunftsinteresse und Belange des Daten- und Geheimnisschutzes werden in Ausgleich gebracht. Die Informationsgesetze der Länder, der Entwurf eines Verbraucherinformationsgesetzes sowie die Neufassung des Umweltinformationsgesetzes wurden ausgewertet. Soweit sich für vergleichbare Sachverhalte eine einheitliche Begrifflichkeit gebildet hat, wurde diese übernommen. Sinnvolle Abweichungen – etwa zu Einzelbestimmungen der Neufassung des Umweltinformationsgesetzes – wurden hingegen beibehalten.

Zukünftig ist zu prüfen, das Informationszugangsrecht des Bundes zusammenzuführen.

V. Durchführungsaufwand

Ein unzumutbarer Verwaltungsaufwand bei den betroffenen Behörden ist nicht zu erwarten. Dies belegen nicht nur der Umgang mit dem Umweltinformationsgesetz, sondern ebenso die Erfahrungen der Staaten, die bereits über Informationszugangsrechte verfügen (siehe Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der SPD-Fraktion vom 9. Oktober 1991, Bundestagsdrucksache 12/1273) sowie der Länder. Zwar mag mit zunehmender Kenntnis des Informationsfreiheitsgesetzes die Zahl der Anträge wachsen. Andererseits werden die Bürger verstärkt auf Internet-Angebote zurückgreifen, die individuelle Anfragen verringern.

VI. Zuständigkeit zur Gesetzgebung

Hinsichtlich aller Materien, für die dem Bund die Sachkompetenz zukommt, kann er das Verwaltungsverfahren als Annex mitregeln. Zum Verwaltungsverfahren gehört auch die Frage des Zugangs zu Informationen bei den Behörden, die entsprechende Verfahren durchführen. Das Informationsfreiheitsgesetz regelt ausschließlich den Zugang zu amtlichen Informationen gegenüber Behörden des Bundes. Dies unterliegt allein der Gesetzgebung des Bundes.

VII. Auswirkungen auf den Bundeshaushalt und die Preise

1. In Abhängigkeit vom Ausmaß der Inanspruchnahme des Gesetzes werden zusätzliche Personal- und Sachkosten für den Bundeshaushalt entstehen. Diese lassen sich zurzeit nicht quantifizieren. Die Erfahrungen mit den Informationszugangsgesetzen in Brandenburg, Berlin, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen haben gezeigt, dass Anträge auf Informationszugang bisher nur vereinzelt gestellt werden und die Verwaltung keinen übermäßigen Belastungen ausgesetzt ist. Inwieweit diese Erfahrungen übertragbar sind, bleibt zu beobachten. Ein Teil der zusätzlichen Personal- und Sachkosten wird überdies durch die Erhebung von Gebühren nach § 10 IFG abgedeckt werden können.

2. Durch die Einführung von Gebühren können sich zwar im Einzelfall für Informationssuchende finanzielle Auswirkungen ergeben, die noch nicht bezifferbar sind. Die Belastungen fallen aber für die Lebenshaltung und die Wirtschaft nicht ins Gewicht, so dass Auswirkungen auf Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, nicht zu erwarten sind.

Quelle: Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 7 – Drucksache 15/4493

 

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