Klassenkampf

Als Klassenkampf bezeichnet der Marxismus den gesellschaftlichen Konflikt zwischen Arbeiterklasse und Bourgeoisie, der sich aus dem Grundwiderspruch der kapitalistischen Gesellschaftsordnung zwischen Kapital und Arbeit ergebe, durch alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens ziehe und mit historischer Zwangsläufigkeit zur Revolution führe, in deren Ergebnis die Arbeiterklasse die Diktatur des Kapitals durch eine Diktatur der Arbeitklasse zu ersetzen habe, den Grundwiderspruch durch Auslöschung des Kapitals löse und damit die Voraussetzungen für eine klassenlose und widerspruchsfreie Gesellschaft schaffe, in der die Arbeit den Menschen nicht länger durch privilegierte Mehrwertaneignung entfremdet werde, stattdessen zum ersten Bedürfnis überhaupt werde - und die Sonne ohne Unterlass scheine.

Soweit das Stichwort "Klassenkampf" in seinem ideologischen Kontext, der sich in allen Einzelheiten als nur halbrichtig erweist und nur deshalb den "Klassenkampf" tautologisch als notwendige Folge seiner selbst begreift: Alle Geschichte sei Geschichte von Klassenkämpfen, lautet die historische Prämisse, das Bewusstsein solchen Geschichtsbildes wiederum notwendig Klassenkampf, lautet die politische Schlussfolgerung. Es gehe dabei nur um die Verkehrung des diktatorischen Vorzeichens.

Die Geschichte als Abfolge von Klassenkämpfen reduziert mannigfaltige Prozesse zum einen auf deren Konflikte, denen sie jede sonstige Entwicklung unterordnet, zum anderen darauf, dass es  überhaupt Klassenkämpfe waren, was wiederum nur durch die Behauptung gestützt wird, dass jede sonstige Entwicklung dem Klassenkampf nachgeordnet sei. Der Klassenkampf wird somit nicht nur zur universellen Begründung, zum universellen Motiv und Begriff aller Gesellschaftserscheinung.

Auch dieser Text ist im ideologischen des marxistischen Geschichtsbildes "Klassenkampf".

Diesem marxistischen Klassenkampfbegriff ist nicht entgegenzuhalten, dass es keine  Klassenkämpfe geben würde. Die in dem Begriff "Kampf" liegende Schärfe ist für viele Auseinandersetzungen zwischen Arbeit und Kapital durchaus angemessen, wenn man sich vor Augen hält, wie sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber in Lohnauseinandersetzungen und bei Kapitalverschiebungen (z.B. Betriebsverlagerungen) verhalten, in manchen Ländern und in der Geschichte gegeneinander tödlichen Hass entluden.

Aber der Begriff "Klassenkampf" taugt nicht als Generalüberschrift für alle Bewegungsformen von Interessenwidersprüchen im Verhältnis von Kapital und Arbeit, sondern dramatisiert und reduziert auf das äußerste Konfliktniveau. 

Klassenkampf-Marxisten halten dieser Kritik entgegen, dass der Begriff anderes meine, eben auch Erscheinungen bis hin zu moderneren Theoremen wie etwa die von der "strukturellen Gewalt", aber wie so oft meine ich, dass Begriffe meinen sollten, was sie sagen, ansonsten verwirken sie schon jeden demokratischen Anspruch.

Begriffe mit Tendenz zur Übertreibung mögen in der akademischen Theorie den Sinn machen, dass man eine gesellschaftliche Erscheinung besonders auf ein bestimmtes Moment prüfe, aber die Übertragung solcher tendenziösen Begrifflichkeit in die unmittelbare politische Praxis bedeutet, dass zum Zwecke bloßer Untersuchung geeignet begriffliche Vorurteil in die Gesellschaft zu tragen und die Realitäten aus dem Begriff wahrzunehmen anstatt umgekehrt, sich von Realitäten die richtigen Begriffe zu machen.

Klassenkampf ist jedenfalls eine Übertreibung für das Geschehen in vielen Tarifrunden, vor allem in Zeiten der Hochkonjunktur.

Und auch hier ergreifen Klassenkampf-Marxisten wieder für ihre Begrifflichkeit Partei und erklären das Wesen des Interessenwiderspruchs in dessen extremster Variante: Wenn der Interessenwiderspruch Kampfqualität annehmen kann, so ist er selbst Kampf. Die Logik solcher Begriffskultur, die das zu Begreifende von seinem Rand her definiert, verkehrt die Ausnahme zur Regel und höhlt die Regel aus.

Gegenbegriff zum Klassenkampf ist der Begriff "Tarifkampf", der a) differenzierter ist, nämlich als Ausnahme bzw. als Steigerungsform der "Tarifauseinandersetzung" definiert ist, b) einen gesellschaftlichen Konflikt auf das Problem "Tarif" versachlicht und diesen als einen von den "Tarifparteien" als gemeinsam zu findenden Kompromiss auffasst.

Die Klassenkampf-Marxisten diffamieren diese Versachlichung als "Verschleierung", als eine auf Ablenkung von Klasseninteressen gerichtete Begrifflichkeit und stellen damit implizit zweierlei  Behauptungen auf: 
1. die Interessen der Tarifparteien seien prinzipiell unversöhnlicher  (="antagonistischer") Natur, 
2. dass es sich überhaupt um "Klasseninteressen" handle und die Wahrnehmung an Tarifauseinandersetzung Beteiligten als bloß wirtschaftlich handelnde Interessengruppen unzureichend sei.

zu 1.: Gegen den gemutmaßten Antagonismus steht die Geschichte mit ihren Kompromissen.

zu 2.: Gegen die gemutmaßte Klassenqualität der Interessenwiderstreitenden steht a) deren Selbstverständnis, worin sie sich immerhin irren könnten, b) die objektive Stellung der Interessenwalter und deren jeweils vertretene Basis im wirtschaftlichen Gesamtgefüge von Kapital und Arbeit einerseits, Angebot und Nachfrage andererseits.

Dieser real größere Bezugsrahmen determiniert zwar nicht immer erkennbar das Handeln in einer konkreten Tarifauseinandersetzung, aber wird in vielfacher Hinsicht durch den Wettbewerb konterkariert. Das heißt, dass die Tarifparteien weitgehend ihre Maximalforderungen vertreten können, aber nur in dem Maße durchsetzen werden, wie es die Gegenseite zulassen kann, anderenfalls würde die Marktsituation zu Korrekturen veranlassen, die zu ignorieren für die Tarifparteien zu gemeinsamen Einbußen führt.

Programmatischer Gegenbegriff zum marxistischen Begriff "Klasse" ist der Begriff "Tarifpartner". 

Dieser Begriff könnte als Beschönigung aufgefasst werden, ist es jedoch vom Standpunkt des Rechts nicht, solange die Tarifpartner auf Grundlage noch laufender Altverträge als "Vertragspartner" handeln. Sind die Tarifverträge gekündigt, so ist der Begriff "Tarifparteien" richtiger. Andererseits sind die Begriffe "Sozialpartnerschaft" und "Tarifpartnerschaft" eben programmatischer Natur, das heißt: "Die Tarifparteien sollen partnerschaftlich handeln".

Propagiert also die bürgerliche Gesellschaftstheorie Kompromissfindung durch Partnerschaftlichkeit, so propagiert die sozialistische Gesellschaftstheorie die Unversöhnlichkeit des Interessenwiderspruchs.

Sven200403       Diskussion zum Begriff Klassenkampf KLICK

Vierzehn Jahre sind seit meinem Ausscheiden aus der sozialistischen Politikdefinition vergangen. 
Von "Klassenkampf-Marxismus" spreche ich, weil der Marxismus darin seinen Bruch mit dem dialektischen Denken hat, indem er trotz Einsicht in den dialektischen Zusammenhang und qualitativen Sprung in einen politischen Dualismus einmündet, in er die Realität und den Raum für gesellschaftliche Kompromisse als Ausdruck der Vernunft ausblendet und als utopisch idealistisch verbrennt. Demgegenüber erweist sich jedoch historisch und täglich neu die Kompromisslosigkeit als weit mehr Utopie und auf dem Weg als Verhängnis. So fand man sich im Ost-West-Konflikt nur sehr mühevoll, aber doch ausnahmsweise mal "zwangsläufig" zur "friedlichen Koexistenz" bzw. "Koalition der Vernunft" mit den bürgerlichen Demokratien, die im Jargon des Sozialismus als "kapitalistische Staaten" auf einen einzigen, wenngleich nicht unbedeutenden Aspekt reduziert wurden. 

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