Olympische Spiele 2008 - Drei Schlaglichter
Nun ist die Veranstaltung schon fast wieder vorbei, ohne dass ich persönlich
  sie allzu intensiv mitverfolgt hätte. Bei dem, was ich gesehen habe, sind
  drei Dinge aufgefallen.
  
  1. Die Berichterstattung
  Es war ein Leichtathletik-Wettkampftag und eine jener kurzweiligen Übertragungen,
  bei denen zwischen den einzelnen Disziplinen locker hin- und hergezappt wird.
  Moderiert wurde das ganze von einem netten Duo Sportjournalisten, das mit
  quasi selbstzerstörerischer Offenheit in die Sackgasse marschierte, die die
  Dopingproblematik für den Sportjournalismus bildet: Denn einerseits - so will
  es wohl das kritische Ethos des Journalisten - dürfen die Zweifel an manchen
  Leistungen nicht unerwähnt bleiben. Und so war es denn auch eher lästige
  Pflichterfüllung, wenn öfters mal die verbalen Fragezeichen aufgehängt
  wurden. Aber zum Glück kann man sich ja auf das hehre Prinzip "in dubio
  pro reo" stützen und sich auf die Position zurückziehen, dass einzig
  die positive Dopingprobe Gewissheit bedeutet - und der Zweifel im Vorfeld
  gestrost beiseite geschoben werden darf. Denn wenn man dem eignen Wissen
  freien Lauf ließe - dass es nämlich zahlreiche Dopingpraktiken gibt, die im
  Test überhaupt nicht nachweisbar sind - dann wäre für den Sportjournalismus
  aller Tage Abend gekommen und man könne "seinen Beruf gleich an den
  Nagel hängen".
  Man fragt sich, ob Sportjournalismus seiner Tradition und Verfassung nach überhaupt
  kritischer Journalismus ist, bzw. sein kann, oder ob er doch nicht eher einer
  Sieger- und Jubelberichterstattung verhaftet ist, den es gottlob in anderen
  Sparten nur noch selten gibt. Das pflichtschuldige Erwähnen der Zweifel bei
  sofortigem Übergang zum Postulat der Sauberkeit: Die Verfassung dieses
  Journalismus ist ein Kampf gegen die Selbstaufgabe, der wahrscheinlich die
  gegenwärtigen Strukturen im Leistungssport eher noch stärkt, sie jedenfalls
  nicht schwächt.
  
  2. Die Sieger
  Was fällt einem ein zu Michael Phelps, dem die Goldmedaillen dutzendweise in
  den Schoß fallen, oder zu Usain Bolt, der sich noch nicht einmal mehr die
  Schuhe zubindet, wenn er über 100m die Konkurrenz deklassiert? Beide können
  frei nach Jan Ullrich guten Gewissens sagen: Ich habe niemals jemanden
  betrogen (weil alle anderen ja genauso vollgeballert sind).
  
  3. Der Verlierer
  Liu Xiang ist wohl eine tragische Figur. Sein Kampf gegen die schmerzende
  Achillessehne vor den Augen der Weltöffentlichkeit, ein nationaler Held, der
  kaum das Aufwärmtraining durchsteht, das schmachvolle Ausscheiden des für überragend
  gehaltenen Siegers: All das hat Teile der chinesischen Bevölkerung in
  Schockstarre versetzt. Man fragt sich schon: Was ist das eigentlich für ein
  fremdes Land, in dem das Versagen eines Sportlers dem Trainer, den Fans und
  selbst den Journalisten Tränen der Verzweiflung in die Augen treibt? Soviel
  emotionales Pathos im Nationalen wirkt dann doch sehr befremdlich und wirft
  die Frage auf, wohin China eigentlich unterwegs ist.
  
  -martin- 20080819 >> Diskussion
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