Rassismus in eigener Erfahrung

Hallo MZ,

nun trifft es ausgerechnet Dich und es mag "übersensibel" wirken, aber ich kann weder negative noch positive Vorurteile gegenüber Menschen anderer Hautfarbe aushalten, denn sie sind haltlos und auch im nett gemeinten Scherz deuten sich Dinge an, die bei Rassisten zu Missachtung werden.

Es passt mir nicht und steht im Widerspruch zum Konzept dieses Webs, über sich selbst mehr preiszugeben als für den sachlichen Dialog erforderlich. Aber ich stellte schon hin, dass in unserem Verlag eine schwarze Freundin mithilft. 

Nichts ist ihr am Schwarz-Weiß-Denken nichts "lustig", denn kaum ein Tag vergeht, an dem sie nicht mit irgendwelchen Dummleuten konfrontiert wird, die ihr "Anderssein" über die Farbe ihrer Haut hinaus unterstellen. Da sie recht schön ist,  geht das zwar manches Mal mit Komplimenten einher, aber ist dennoch unerträglich, weil daraus so viel Dummheit spricht, die weniger schönen Bekannten in weniger geschützter Umgebung zum Verhängnis wird. 

Da trauen sich welche nicht nach Hellersdorf, Lichtenberg oder Marzahn. 
Und da sind Rechtsextremisten "stolz" drauf. -  Marzahn soll sich dieser Verhältnisse schämen.

Und mir selbst erging es mit dem alltäglichen Rassismus in meiner Kindheit nicht anders, denn als ich sechs Jahre alt war, nahm meine Familie ein schwarzes Kind in Pflegschaft und wir wuchsen gemeinsam auf - mit all den Vorurteilen, wie sie Gesellschaft sind.

Wäre meine Familie in dieser Stadt nicht so anerkannt gewesen und ich weniger frech, kräftig und selbstbewusst, so hätten mein schwarzer Bruder und ich unter den Dummen zu leiden gehabt. 
So aber drängte ich die DUMMEN wie Annamirl in die Ecke. Überall, wo ich war.  Und solche Annamirls durften erst aus ihren Ecken kommen, wenn sie es lassen konnten: jegliche dumme und schnippische Bemerkung.

Ich machte mir in "komplizierten Fällen" richtige Pläne dafür. Es gelang immer. Auch gegen "Große", weil man Vernunft organisieren kann.  

Allerdings ist das Organisieren der Vernunft mühevoll und ab meinem 15.Lebensjahr wurde ich für ein paar Jahre zum Raufbold, weil meine Möglichkeiten diesen "schnelleren Weg" bequemer erscheinen ließen und dazu noch die jugendliche Abenteuerlust befriedigten.  Irgendwann sah ich die Risiken des "schnellen Weges" mehr und wurde zahmer, aber für noch ein paar weitere Jahre blieb ich "scharf auf Pöstchen" und "Macht", weil ich als Kind erlebte, dass Bitten und Vernunft nicht immer genügen, um das Widerliche im Menschen in die Schranken zu weisen.
 
Das sind so "Gründe", weshalb ich für "Problem-Kids" mehr Verständnis habe als andere Menschen- und Friedensfreunde: weil ich mir das "Prinzip Gewalt" nicht aus dem Menschen wegdenken kann, sondern es allenfalls für beherrschbar halte.

Und weil extremistische Organisationen dazu neigen, dem "Prinzip Gewalt" trotz seiner fatalen Folgen auch noch eine historisch der Vernunft gleichberechtigte, positive Anerkennung zu belassen ("revolutionäre Gewalt"), war ich für zehn Jahre einer Ideologie verhaftet, deren Organisation und System auf der "guten" Gewalt bis hin zu Atomwaffen beruhte, ehe sie schließlich am Widerspruch von zwangsläufig permanent korrupter Diktatur und Freiheitswillen zerbrachen, was nicht heißen soll, dass mit dem Mauerfall der Eintritt ins Paradies gelungen wäre, aber das Scheitern einer falschen Systemalternative besiegelt.

Nun kam ich weit ab vom Anlass dieses Postings, aber die Gründe, weshalb mir der Rassismus Anlass zur Aktivität ist,  sind mir eng verbunden mit unserem Extremisten-Dialog insgesamt.

Grüße von Sven
Redaktion

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