Studentenbewegung

Zumeist steht der Begriff Studentenbewegung für politisch vielfältige Proteste an den Hochschulen der 1960er-Jahre für studentische Mitbestimmung sowohl den Bildungsbetrieb und die soziale Situation der Studenten betreffend als auch die Geltendmachung des politischen Mandats, also die Berechtigung der Studentenschaft zu allgemeinpolitischen Themen körperschaftlich (Studentenparlament, Uni-Gremien) Stellung zu nehmen, z.B. gegen die Kollaboration der NATO-Staaten, so auch der Bundesregierung mit dem diktatorischen Schah-Regime im Iran, gegen die personellen Kontinuitäten des NS-Regimes und der Bundesrepublik, gegen die unterbliebene Aufarbeitung von NS-Verbrechen, gegen die Frauendiskriminierung, gegen die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen, Homosexualität und Doppelmoral hinsichtlich der Sexualität allgemein, gegen autoritäre Erziehungsstile und Obrigkeitsdenken, insbesondere gegen den Militarismus, gegen den Vietnamkrieg, gegen einen imperialistischen Neokolonialismus, gegen den westdeutschen  Nationalismus und Revanchismus auf dem Trittbrett des Ost-West-Konflikts, was scharfer Kapitalismuskritik Vorschub leistete. Es war eine Studentenbewegung gegen den Konformismus und für unangepasste Lebensentwürfe. Kaum ein Thema, das diese Studentenbewegung nicht jugendlich mit reichlich "-ismus" bemüht "radikal" anders beleuchtete und Reformen forderte oder sogar "Revolution", weil sich die Gesellschaft in großen Teilen reformunwillig zeigte und die Reformansätze der sozial-liberalen Regierung unterschätzt wurden.

Diese deutsche Studentenbewegung hatte viele ihrer Inspirationen aus der us-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung und aus der französischen Studentenbewegung, kann als Teil der bis dahin wichtigsten Demokratiebewegung internationalen Maßstabs angesehen werden.

Kritik an der Studentenbewegung? Tja, wer die Jugend der Jugend wegen verurteilen mag, hat entweder eine Menge eigene Jugend verpasst oder vergessen, verdrängt. 

Ich war damals Kind und erinnere dennoch genau, wie in Weihnachtstagen ganze Schwärme riesiger Bomber irgendwo fern unseres Christbaums Feuer über Berge, Wälder und Dörfer abluden. Mein älterer Bruder war Student und verweigerte den Kriegsdienst, worauf ihn ein ansonsten liebenswerter Onkel als "Drückeberger" beschimpfte, wofür mein pazifistischer Vater verantwortlich sei.

Das ist mir unvergesslich. Unvergesslich auch, dass es so viele dumpfe Akademiker im Bekanntenkreis meiner Eltern mit intellektuell erbärmlich reaktionären Sprüchen auf die Studentenbewegung reagierten: "In Arbeitslager bringen" und "ordentlich verdreschen" (Nazi-Jargon)
Es war eine unwürdige Hass-Stimmung gegen Leute, die Ungerechtigkeiten anprangerten. Und eine Zeit, in der "Weltverbesserer" als Schimpfwort Hochkonjunktur hatte, als gelte es nichts zu verbessern. Aber mein Vater war gerade erst aus Indonesien zurück - mit den Bildern seiner dortigen Tätigkeit = mein Bild von der Welt mit massenhaft Verbesserungsnotwendigkeit. 

Fotos, die mein Weltbild prägen durften >> Nias

"Und die RAF ?"   Die RAF war mit ihrem Terrorismus eine Perversion der "68er", wie die Kreuzzüge eine Perversion der christlichen Ideale war, was nicht ausschließt, dass viele ihrer Akteure und Unterstützer "besten Gewissens" handelten, aber eben in den Gewissensfragen zu falschen Antworten gelangten. Das wiederum wurde begünstigt, weil so große Teile der Gesellschaft vollkommen unangemessen, dämlich unfähig zum Dialog und verbrecherisch auf die Studentenbewegung reagierten, um die Kriege auf den Nebenschauplätzen des Ost-West-Konflikts unbarmherzig weiterführen zu können.

Die RAF ist mir tatsächlich kein "Produkt der Studentenbewegung", der viel jugendliche Dummheit zugute zu halten ist, sondern - zugespitzt formuliert - eine verhängnisvolle Trotzreaktion in einem Generationskonflikt um gesellschaftliche Reformen und Weltpolitik. 

Markus Rabanus 20100422

68er      Bürgerrechtsbewegung      Dialog-Lexikon

http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Studentenbewegung_der_1960er-Jahre