Buddhismus   >>>  Forum

Das Unsterbliche

Amatam adhigatam'', sagte Buddha, "das Unsterbliche ist gefunden!" In diesen Worten ist das Programm seiner Lehre, seiner ganzen Lehrtätigkeit ausgesprochen. Man muß es recht verstehen, wenn man die Buddha-Lehre verstehen will. Die fünf ersten Hörer verstanden es, denn - so wird regelmäßig hinzugefügt - sie verstanden: "Kinci samudayadhammam sabbam tam nirodhadhammam" - "Alles, was entsteht, muß wieder vergehen." Amatam, das Unsterbliche, ist also nicht "ewiges Leben", denn alles Leben ist Entstehen und Vergehen. Leben und Sterben gehören zusammen, sind nicht voneinander zu trennen. Darum ist Leben notwendig unvollkommen, notwendig mit dem Leid der Vergänglichkeit verbunden. Das Leben als Ganzes mag ohne Anfang und ohne Ende sein, das Leben des Einzelwesens ist notwendig durch Geburt und Tod begrenzt; es entsteht, und deshalb muß es auch vergehen, auf den Tod aber folgt neues Leben, das wieder mit dem Tode endigt. Das war die herrschende Meinung der Brahmanen und die feste Überzeugung aller, die zu Buddha kamen.

"Dem Geborenen ist der Tod gewiß,
gewiß ist die Geburt dem Sterbenden",

heißt es in der Bhagavadgita II, 27. Aus diesem unheilvollen Lauf der Wiedergeburten suchten viele den Ausweg; Buddha fand ihn; er fand das Unsterbliche. Er vertröstete nicht auf ein ungewisses Jenseits, sondern er zeigte den Weg, auf dem jeder, der ihn versteht und befolgt, schon im gegenwärtigen Leben das Unsterbliche finden kann. Buddha nannte es auch das Nibbána, oder in Sanskrit: Nirvana, und pries es als die höchste, unvergleichliche, überweltliche Seligkeit, unberührt von Leben und Sterben.

Der erste, der Buddha verstand, war Kondannya, dann folgten Vappa und Bhaddiya, zuletzt Mahánáma und Assaji. Sie schlossen sich dem Erhabenen als seine Jünger, als Bhikkhus, an, und damit war der buddhistische Orden, der Sangha, gegründet, der bis auf den heutigen Tag besteht. Bhikkhu bedeutet "Almosenempfänger". Der Bhikkhu hat auf Eigentum verzichtet, er fristet sein Leben von den Gaben frommer Laien, aber er bettelt nicht, er ist kein "Bettelmönch". Wenn er Speise sammelt, tritt er stillschweigend, mit gesenktem Blick, vor die Türen der Häuser und wartet mit seiner Schale, ob ihm Speise gereicht wird. Er dankt auch nicht, sondern die Laien danken ihm dafür, daß er ihnen Gelegenheit gegeben hat, ein gutes Werk zu tun.

Kondannya erhielt den Beinamen Annyátar, der Versteher. Von den fünf ersten Jüngern hat nur der letzte, Assaji, im Leben der Jüngergemeinde eine Rolle gespielt, und zwar eine sehr wichtige.

Assaji
Als Assaji eines Tages in Rájagaha, der Residenz des König von Mágadha, Speise sammelnd von Haus zu Haus ging, erblickte ihn ein Schüler des Wanderlehrers Sanjaya namens Sáriputta, der mit seinem Freunde Moggallána vereinbart hatte, daß, wer von ihnen zuerst "das Unsterbliche fände", es dem andern melden sollte. Assaji fiel ihm auf durch sein würdiges Benehmen und seinen verklärten Gesichtsausdruck. Sáriputta sah ihm sofort an, daß er ein hoch beglückendes Erlebnis gehabt hat, und vermutete, daß Assaji entweder ein Heiliger sei oder es doch bald sein werde. Es wäre aber unhöflich gewesen, ihn während des Speisesammelns anzusprechen. Darum folgte er ihm in angemessenem Abstand, bis Assaji mit gefüllter Schale den Rückweg antrat, ging dann auf ihn zu und fragte ihn nach höflicher Begrüßung, wer sein Meister sei und worin dessen Lehre bestehe. Assaji erwiderte: "Mein Meister ist der große Weise aus dem Stamme der Sakya, Gotama, der Buddha. Ich bin aber ein Neuling, erst kürzlich habe ich die Weihe empfangen. Daher kann ich dir die Lehre nicht ausführlich im einzelnen darlegen, aber ich will dir kurz. ihren Hauptinhalt sagen." Sáriputta sprach darauf: "Gut, sprich so kurz oder so lang, als du willst, wenn du mir nur das Wesentliche der Lehre aufzeigst." Und nun gab ihm Assaji diesen Spruch, der bis auf den heutigen Tag in ganz Ostasien als die kürzeste Zusammenfassung der Buddha-Lehre berühmt ist:

 

"Von den bedingt entstandenen Dingen
Gibt Buddha uns die Ursach' an,
Und auch wie sie zugrunde gingen,
Erklärt der große weise Mann."

Als Sáriputta diese Worte hörte, verstand er sofort ihren tiefen Sinn: in diesem Spruch ist die Lehre von der Bedingtheit alles Entstehens, die Kette der Abhängigkeitsverhältnisse, die der ganzen Erscheinungswelt zugrunde liegt, kurz zusammengefaßt. Innerhalb der Erscheinungswelt - so verstand Sáriputta - sind alle Dinge bedingt; wird die Bedingung, unter der sie entstanden und da sind, aufgehoben, so verschwinden sie. Wie die Abhängigkeitsverhältnisse ineinandergreifen, hat Buddha erklärt, er hat aber auch gezeigt, wie die Aufhebung der Ursache die Wirkung, die Aufhebung der Bedingung das Bedingte aufhebt und zum Schwinden bringt, und damit ist der Weg zur Beendigung alles Leidens, das ja bedingt entstanden ist, der Weg zum Nirvana gewiesen. Das wurde Sáriputta sofort klar, und es ging ihm, wie es in dem alten Bericht heißt, "das von Leidenschaft und Unreinheit freie Verständnis der Lehre auf", und er sprach: "Wenn dies allein die Lehre ist, dann hast du den Zustand erreicht, wo es keinen Kummer gibt, den Zustand, der viele hundert tausend Weltzeitalter hindurch unerkannt geblieben ist." Sáriputta ging nun sogleich zu seinem Freunde Moggallána und teilte ihm seine Entdeckung mit. Auch Moggallána verstand alsbald den Sinn des Spruchs und schlug seinem Freunde vor, zu Buddha überzutreten. Sáriputta aber hatte zunächst ein Bedenken, das seinem feinen Gefühl für Recht und Unrecht entsprang. Die beiden Freunde waren nämlich die angesehensten und vielleicht auch die ältesten unter den Schülern Sanjayas. Wenn sie mit etwa 18 Jahren ihr Studium begonnen hatten, so gehörten sie jetzt schon wenigstens zwanzig Jahre der Schule Sanjayas an. Das ergibt sich daraus, daß Gotama damals im 37. Lebensjahre stand und sie etwas älter als er, also mindestens 38 Jahre alt waren. Sáriputta meinte nun, da die rund 250 Schüler Sanjayas ihnen beiden besonderes Vertrauen schenkten, gehöre es sich, daß sie einen solchen Schritt, wie den Übertritt zu einem andern Lehrer, nicht unternehmen, ohne jene vorher davon zu verständigen. Moggallána stimmte zu, und so setzten sie ihren bisherigen Studiengenossen auseinander, warum sie sich Buddha anschließen wollten. Das Ergebnis war, daß sämtliche Schüler Sanjayas, die offenbar von dessen Lehre auch nicht recht befriedigt waren, Sáriputta und Moggallána folgten. Die beiden Freunde gingen auch zu Sanjaya, um sich von ihm zu verabschieden. Dieser aber versuchte, sie bei sich zu behalten, indem er ihnen anbot, von nun an gemeinsam mit ihm die Schule zu leiten. Er wollte sie als gleichberechtigte Lehrer neben sich stellen. Das war ein ungewöhnlicher, ehrenvoller Antrag, denn es war nichts Geringes, Leiter einer Philosophenschule zu sein. Trotzdem lehnten sie ab und gingen mit der ganzen Schule zu Buddha über. Sanjaya wurde darüber so erregt, daß er einen Blutsturz bekam. "Heißes Blut stürzte ihm aus dem Munde."

  
Fortsetzung >>  Buddhismus Teil 6

weitere Literatur

 Buddhismus  >>>  Website   www.Weltreligionen.de 

Dialog-Lexikon